06.02.2002  Linktip 
AntragCDUWRRL

Ministerium für Umwelt und Verkehr

Baden-Württemberg

Postfach 10 34 39, 70029 Stuttgart

 

An den

Präsidenten des Landtags

Herrn Peter Straub MdL

Haus des Landtags

 

70173 Stuttgart

   

 

 

nachrichtlich - ohne Anlagen -

Staatsministerium

Wirtschaftsministerium

Ministerium Ländlicher Raum

 

 

Antrag der Abg. Peter Hauk u.a., CDU

Umsetzung der EU- Wasserrahmenrichtlinie

DS 12/ 5614

Schreiben vom 16.10.2000

Anlagen

9 Mehrfertigungen

 

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,

das Ministerium für Umwelt und Verkehr nimmt im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsministerium und dem Ministerium Ländlicher Raum zu dem Antrag wie folgt Stellung:

 

  1. Welcher Anpassungsbedarf entsteht in rechtlicher und organisatorischer Hinsicht durch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie?
  2. Zu 1.:

    Das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und die Landeswassergesetze sind an die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) anzupassen. Insbesondere sind die Ziele und strukturellen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie als Institution im WHG zu verankern und die Bestimmungen über Bewirtschaftungspläne neu zu fassen. Entwürfe dafür werden bereits durch Bund-Länder-Arbeitsgruppen erarbeitet.

    Die WRRL sieht zwingend die einzugsgebietsbezogene Betrachtung der Gewässer vor. Baden-Württemberg ist an den zwei internationalen Flussgebietseinheiten Rhein und Donau beteiligt. Für Deutschland bzw. Baden-Württemberg resultieren hieraus Koordinations- und Abstimmungserfordernisse für den Rhein mit den Bundesländern Bayern, Hessen, Rheinland–Pfalz, Saarland, Nordrhein-Westfalen, Niedersachen und Thüringen und mit 8 Nationalstaaten (I, A, FL, CH, F, B, LUX, NL), für die Donau mit Bayern und Österreich.

    Die daraus erwachsenden organisatorischen Auswirkungen für Baden-Württemberg sind derzeit noch nicht in vollem Umfang absehbar. Die Notwendigkeit, der EU einen im gesamten Einzugsgebiet abgestimmten Bewirtschaftungsplan mit darin enthaltenen Maßnahmenprogrammen vorlegen zu müssen, macht jedoch eine Organisationsform gemäß diesem (teil)-einzugsgebietsweiten Ansatz erforderlich. Je weiter die bestehende Organisationsform von diesem Ansatz entfernt ist, umso größer werden der zu erwartende Koordinationsaufwand und damit die personellen und sächlichen Kosten.

    Die WRRL sieht für die ersten vier Jahre nach In-Kraft-Treten eine umfangreiche Bestandsaufnahme der Merkmale, Belastungen eines Flussgebiets und eine wirtschaftliche Analyse der Wassernutzungen vor, die überwiegend von der Fachverwaltung zu erledigen sein werden. Nach erfolgter Bewertung der Belastungen sind für die jeweilige Flussgebietseinheiten abgestimmte Maßnahmenprogramme aufzustellen. Die hierzu erforderliche breite Beteiligung von Unterhaltungspflichtigen und Wassernutzern wird einen massiven Koordinationsbedarf mit sich bringen.

     

  3. Welche fachlichen Schwerpunkte setzt die Wasserrahmenrichtlinie?

Zu 2.:

Die Wasserrahmenrichtlinie sieht gegenüber der bisherigen wasserwirtschaftlichen Betrachtungsweise vier wesentliche fachliche Neuerungen vor:

  • Einzugsgebietsbezogene Betrachtung

    Sämtliche Belastungen der Gewässer wie z.B. signifikante punktuelle, linienhafte
    oder diffuse Verschmutzungen, Wasserentnahmen bis hin zu Abflussregulierungen und morphologischen Veränderungen sind zu erfassen und in ihrer Auswirkung auf das Ökosystem Gewässer zu bewerten. Dies bedeutet gegenüber dem bisherigen eher punktbezogenen Ansatz eine deutliche Erweiterung der Betrachtungsweise, insbesondere bei den Schadstoffquellen, die zu den genannten diffusen Verschmutzungen führen.

    Dementsprechend sind auch die Bewirtschaftungspläne und die Maßnahmenprogramme im gesamten Einzugsgebiet abzustimmen, womit ein deutlicher Koordinationsaufwand zwischen den verschiedenen Verwaltungseinheiten verbunden sein wird. Eine neue Qualität des Gewässerschutzes wird dadurch erreicht, dass die Maßnahmenprogramme eines Einzugsgebietes sowohl innerhalb des Landes als auch zwischen Ländern als auch zwischen Staaten und nach Kosteneffizienzkriterien abzustimmen sind.
  • Neues Bewertungssystem für die ökologische Wertigkeit von Gewässern

    Der Gewässerzustand wurde bisher anhand von zwei Bewertungssystemen eingeschätzt: Dem Saprobienindex, welchem die Sauerstoffverfügbarkeit für Gewässerorganismen zu Grunde liegt, und der Gewässerstrukturgütekartierung.

    Das nach der WRRL vorgesehene Bewertungssystem beinhaltet einen deutlich erweiterten ökologischen Ansatz. Es sind für das Erreichen eines "guten" Zielzustandes gewässertypenspezifisch bestimmte Artenzusammensetzungen für insgesamt vier Organismengruppen (Fische, Gewässertiere [Makrozoobenthos], Wasserpflanzen, Algen) zu erreichen. Der gute Zustand des Grundwassers ist durch die Qualitätsziele der einschlägigen EU- Richtlinien definiert. Diesbezügliche Regelungen gibt es derzeit für Nitrat und Pflanzenschutzmittel.
  • Kombinierter Ansatz – Emissions- und Immisionsbetrachtung

    Die stoffliche Belastung von Gewässern wurde in der Bundesrepublik Deutschland bisher vorrangig über die emissionsseitige Betrachtung von Summenparametern (chemischer Sauerstoffbedarf [CSB], biologischer Sauerstoffbedarf [BSB]) und in Einzelfällen nach Immissionsgesichtspunkten bewertet. Die WRRL sieht dagegen sowohl einzelstoffbezogene Emissionsbegrenzungen als auch einzelstoffbezogene Immissionsgrenzwerte vor. Zwischen diesen beiden Ansätzen ist für die Beurteilung der Zulässigkeit der jeweiligen Einleitung nunmehr in allen Staaten der EU der weitergehende Ansatz (kombinierter Ansatz) zu wählen.
  • Gewässertypenspezifisches Vorgehen

    Das bisher in Deutschland eingesetzte Gewässerbewertungssystem des "Saprobien-indexes" hat zwischen verschiedenen Gewässertypen nicht unterschieden. Der
    Oberlauf eines Gewässers im basenarmen und damit sauren Granit-Schwarzwald wurde mit seiner Talform und seinen geologischen und hydrochemischen Bedingungen genauso bewertet wie der Mittellauf eines Gewässers in der sehr basenreichen Lösslandschaft Kraichgau. Die WRRL sieht dagegen einen gewässertypenspezifischen Ansatz vor. Es bestehen damit für die einzelnen Gewässertypen jeweils unterschiedliche Referenzbedingungen zum Erreichen des "sehr guten Zustandes". Dies ermöglicht eine sachgerechtere und präzisere Vorgehensweise, verursacht
    aber auch Mehraufwand.

 

  1. Welche Maßnahmen müssen in Baden-Württemberg ergriffen werden, um die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie umzusetzen?
  2. Zu 3.:

    Der genaue Handlungsbedarf wird nach erfolgter Aufgabenanalyse der WRRL und Aufarbeitung und Bewertung nach dem Bewertungssystem der WRRL dargelegt werden können.

    Absehbar ist Handlungsbedarf insbesondere in den Bereichen Gewässermorphologie, Altlastensanierung und diffuse Schadstoffquellen, weniger im Bereich kommunaler und industrieller Einleitungen. Es ist absehbar, dass bisherige Schwerpunkte des Gewässerschutzes (z.B. Gewässerentwicklungskonzepte), deren Umsetzung z.T auf freiwilliger Basis erfolgte, künftig nach WRRL im Rahmen eines Pflichtprogramms fortzuführen und zu vertiefen sind.

     

  3. Wie hat das Umwelt- und Verkehrsministerium die Interessen Baden-Württembergs in den europäischen Entscheidungsprozess eingebracht und welche Schlüsse und Empfehlungen lassen sich hieraus ableiten?
  4. Zu 4.:

    Der zuständige Abteilungsleiter im Ministerium für Umwelt und Verkehr ist Vorsitzender des EU-Kontaktausschusses der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) und nimmt dadurch an den Sitzungen der EU-Wasserdirektoren teil. Baden-Württemberg stellt darüber hinaus den Vertreter im Bundesrat und ist direkt an allen Sitzungen der Experten und den Ratsarbeitsgruppen beteiligt. Zudem bestehen enge Kontakte zur EU-Kommission auf verschiedenen Ebenen und auch zu Abgeordneten des EU-Parlaments.

    Auf diesem Wege konnten unter Wahrung der Interessen der anderen Länder die besonderen Interessen Baden-Württembergs bei der Festsetzung eines EU-weit hohen Niveaus des Gewässerschutzes auf verschiedenen Feldern (Festlegung des "Kombi-nierten Ansatzes", "kostendeckende Wasserpreise") genutzt werden, um insbesondere Standortnachteile abzubauen.

    Auch weiterhin wird sich Baden-Württemberg bei den nun zur Erarbeitung anstehenden Themen (Ausgestaltung des Prinzips der kostendeckenden Wasserpreise, Identifikation der prioritären gefährlichen Stoffe, Detailregelungen zum Grundwasserschutz) im bisherigen Maße engagieren, um deutsche und baden-württembergische Positionen wirkungsvoll im europäischen Entscheidungsprozess verankern zu können. Hierfür ist jedoch ein hoher Mittel- und Personaleinsatz erforderlich.

     

  5. Welche finanziellen Auswirkungen sind auf Kommunen, Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft sowie private Haushalte durch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie zu erwarten?

Zu 5.:

Finanzielle Auswirkungen können sich aus dem mit der Übernahme der materiellen Anforderungen der WRRL verbundenen Aufwand ergeben. Sowohl die für die Bestandsaufnahme erforderlichen Kriterien für signifikante Belastungen als auch das Bewertungssystem für die ökologische Bewertung der Gewässer liegen aber noch nicht vor. Darüber hinaus soll die Liste der prioritären und die der prioritären gefährlichen Stoffe durch die EU erst noch in einer Tochterrichtlinie festgelegt werden. Es lassen sich aber jetzt schon gewisse Tendenzen angeben:

  • Im Bereich der kommunalen Abwasserbeseitigung sind über die derzeit laufenden Investitionen hinaus (ca. 1 Mrd. DM pro Jahr) keine wesentlichen zusätzlichen Belastungen zu erwarten.

    Die aus dem Bereich Verbesserung der Gewässerökologie resultierenden Kosten sind erst dann konkret bezifferbar, wenn für das jeweilige Gewässer ein im gesamten Einzugsgebiet abgestimmter Maßnahmenplan vorliegt. Für die Ökologisierung der Gewässer nach der Wasserrahmenrichtlinie (Durchgängigkeit, Renaturierung, Entfernung von Sohl- und Uferverbau, Erwerb von Randstreifen) sind die Kommunen als Unterhaltspflichtige von Gewässern 2. Ordnung (sowie das Land als Unterhaltungspflichtiger bei Gewässern 1. Ordnung) gefordert. Die aus der Wasserrahmenrichtlinie resultierenden Kosten können in gewissem Umfang über den naturschutzrechtlichen Eingriffsausgleich für Baumaßnahmen (Straßen, Baugebiete etc.) oder durch Anrechnung auf das Ökokonto aufgefangen werden.
  • Für die privaten Haushalte sind die Kosten für die Wasserver- und die Abwasserentsorgung relevant. Die in der WRRL enthaltene Forderung nach kostendeckenden Wasserpreisen ist nach derzeitigem Informationsstand durch die momentane Gebührengestaltung weitestgehend erfüllt, da in Deutschland die betriebswirtschaftlichen Kosten in den Wasserpreisen enthalten sind. Es ist davon auszugehen, dass auf die privaten Haushalte keine wesentlichen zusätzlichen Kosten zukommen werden.
  • Für den Bereich von Industrie und Gewerbe geht das Ministerium für Umwelt und Verkehr davon aus, dass die Anforderungen der Wasserrahmenrichtlinie grundsätzlich durch die bestehenden Anforderungen des WHG bereits abgedeckt sind. Dies schließt nicht aus, dass die Festsetzung von Emissions- und Immissionsgrenzwerten für "prioritäre" Stoffe durch die Kommission in Ausnahmefällen für Einzelstoffe weitergehende Einleitungsbeschränkungen notwendig macht.

    Noch nicht abzusehen sind die Konsequenzen der vom Vermittlungsausschuss aufgrund der Forderung des Europäischen Parlamentes berücksichtigten Benennung von "prioritären gefährlichen" Stoffen. Für diese Stoffe sollen die Maßnahmen auf die "Beendigung oder schrittweise Einstellung von Ableitungen, Emissionen und Freisetzungen" zielen. Die Kommission will hierzu Vorschläge unterbreiten. Welche finanziellen Auswirkungen dies auf Industrie und Gewerbe hat, hängt von der Auswahl der prioritären gefährlichen Stoffe und den Vorschlägen für erforderliche Maßnahmen zur Verringerung ihrer Freisetzung ab.
  • Für die Landwirtschaft ist insbesondere das Gebot der WRRL, signifikante diffuse (Nährstoff-)Belastungen der Gewässer abzubauen, relevant. Weiterer Handlungsbedarf könnte sich bei Nichteinhaltung der Zielvorgaben für Pflanzenschutzmittel in Gewässern ergeben, die von der in Beratung befindlichen Liste der prioritären Stoffe erfasst sind. Ob und in welcher Höhe hieraus Kosten für die Landwirtschaft entstehen, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen.

 

  1. Welche Auswirkungen sind durch die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie auf das Wasser- und Abwassergebührenrecht, die Starkverschmutzerzuschläge, die Abwasserabgabe sowie das Wasserentnahmeentgelt zu erwarten und auf welche Rechtsgrundlage stützt sich die EU dabei?

Zu 6.:

Die Auswirkungen im Detail auf die absolute Höhe der Wasser- und Abwassergebühren, die Starkverschmutzerzuschläge, die Abwasserabgabe sowie das Wasserentnahmeentgelt können noch nicht abschließend beurteilt werden. Nach bisheriger Einschätzung sind für Baden-Württemberg kaum Auswirkungen zu erwarten, da das in der Wasserrahmenrichtlinie vorgegebene Kostendeckungsprinzip für Wasserdienstleistungen im Gebührenrecht in der Bundesrepublik Deutschland und in Baden-Württemberg bereits verankert ist.

Rechtsgrundlage für die Vorgaben der EG sind die Artikel 174 Abs. 1 und 175 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) vom 7. Februar 1992 i. d. F. vom 2. Oktober 1997.

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Ulrich Müller MdL

Minister für Umwelt und Verkehr